Schon mal bei der Konkurrenz probegesessen!
Heute stand der Besuch der Motorrad-Power-Messe Sindelfingen an.
Das ist eine kleine, regionale Messe, die von den Händlern und Zubehörlieferanten rund um Stuttgart beschickt wird. So fanden sich vornehmlich, SBF (Triumph), BMW Werksvertretung Stuttgart Vaihingen, Motorrad Walz Herrenberg (BMW, Yamaha), Limbächer & Limbächer (Kawasaki, Ducati, MV Agusta, Moto Guzzi), Trinkner und Stauch (beide Honda) und Suzuki, KTM, Aprilia, und und und.
Einen kurzen Überblick findet man hier: Sindelfinger Zeitung
Mein Augenmerk will ich auf die Fa. Honda Trinkner richten, denn dort am Stand fand sich in 1:1 die neue Honda VFR 1200 F. Wie schön.
Zum Glück auf dem Seitenständer abgestellt und nicht mit dem Vorderrad in so einen blöden „Klemmer“ eingespannt, machte das Probesitzen Sinn.
Die Optik und der Körperbau der VFR ist ja, wie bereits festgestellt, Geschmacksache. Mir gefällt sie. Die Proportionen stimmen und sie wirkt kleiner und handlicher als man es vom Foto in den Fachzeitschriften (ciao janneck) her vermuten würde.
Bei pingeligster Untersuchung habe ich kein wackelndes oder lommeliges Plastikteil gefunden, welches im Betrieb unangenehme Surr- oder Knattergeräusche produzieren könnte. Alles fest und stramm. Die Verarbeitung ist insgesamt erste Sahne. (Fast) jedes Bauteil wirkt hochwertig und die Passungen und Spaltmaße geben keinen Anlass zum Meckern. Einzig Schalt-, Brems- und Handhebel könnten etwas hübscher sein, bei dem Preis. Aber die rüstet ja sowieso jeder individuell nach und um.
Einen Hauptständer hatte das Vorführmodell nicht und ich kann mir auch nicht recht vorstellen, wie der da rankommen soll, ohne die Schräglagenfreiheit einzuschränken. Da unten ist es nämlich ziemlich vollgebaut. Man muss später wohl mal einen Augenschein mit HS nehmen (ist als Extra orderbar).
Der Lenker ist zu tief! Es ist das gleiche Problem, wie wir es sowohl von der 955ier ST, als auch von der 1050er kennen. Zunächst knackig vorderradorientiert und sportlich, aber im Sinne des Tourers lastet zu viel Gewicht auf den Handgelenken und der Knickwinkel des Körpers in der Hüfte ist zu klein. 3-4cm fehlen in der Höhe. Ich habe extra einen absolut „bauchlosen“ , durchschnittsgroßen Probemenschen um sein Urteil gebeten. Er kam zum gleichen Ergebnis. Da wird Honda nachbessern oder Alternativlenkerhälften anbieten müssen.
Der Auspuffklopps ist gar nicht so schlimm wie er auf den Fotos in den Fachblättern (ciao janneck) wirkt. Da er Detailformen des Designs aufnimmt, wirkt er ganz gut eingepasst und bietet in Vollchrom einen gut geputzten Hingucker, wenn er es denn ist (nämlich geputzt). Der Vorführer hatte zahlreiche Fingertapsen drauf, dass sah nicht toll aus. Aber die Angst, einen US-Wohnwagen der 50er Jahre an der rechten Seite hinten mitzuschleppen ist unbegründet. So ein grimmigkurzes, krummes, schmutziges Hörnchen von ZARD, welches dicht hinter der Fußraste herausglotzt und alle Leute anbrüllt, kann ich mir bei diesem Motorrad nicht vorstellen. Das wirkte dann schon irgendwie prollig.
Draufgesessen ist man wirklich überrascht. Scheinbar tiefer Schwerpunkt. Federleicht stellt man die Maschine auf und spürt sofort Vertrauen. Lenkerbreite einwandfrei, Spiegelsicht möglicherweise nur hälftig. Die schlechte Nachricht: da wird ein Umbau oder Anbau von Verlängerungen schwierig bis kostspielig. Wo ist der Zündschlüssel??? Das Gewicht schmilzt schon im Stand dahin und die Rangierbarkeit ist tadellos. Das ist ein Aspekt, der mir - mit etwas unter Gardemaß - sehr wichtig ist.
Nun, ich wurde spontan in vier Wochen zur ausgiebigen Probefahrt eingeladen. Das habe ich lächelnd abgelehnt, denn ich will ja kein Schneemobil testen. Aber zum Anfang der Saison – so im April/Mai vielleicht, werde ich das Teil mal umfassend ausprobieren.
Ich bin davon überzeugt, dass Honda binnen weniger Monate das Mapping in Richtung Alltagstauglichkeit und nützlichem Komfort zu ändern weiß. Trotzdem ist die Maschine natürlich auch dann noch nicht kaufbar, denn mit Sicherheit werden sich kleine Mängel und Kinderkrankheiten herausstellen. Zudem ist der Preis mit knapp über 15.000 € recht stattlich. Aber wenn man bedenkt, dass die aktuelle Fireblade vor 1,5 Jahren auch noch bei um die 15.000 € lag und inzwischen für knappe 11.000 € zu bekommen ist, dann bin ich zuversichtlich, dass in zwei, drei Jahren eine ausgereifte, sportliche, touren- und stadtbummeltaugliche, preislich attraktive Reisemaschine auf Rädern steht, die zur aktuellen Sprint eine echte Alternative wäre.
Setzt Euch wieder hin!
Vielleicht aber ist einer der vermuteten Pfeile im Köcher von John Bloor spitz genug, Konversionen abzuwenden.
Wie wir alle wissen, sind sowohl 955ier als auch 1050er Sprints nicht so richtig wirklich für stundenlange Stadtbesichtigungen geeignet, schon gar nicht in südlichen Gefilden. Da versucht der Lüfter schon mal ein Hubschrauber zu werden. Das wird die VFR besser können, davon bin ich schon jetzt überzeugt.
Was sie nicht erfüllen wird, ist das, was unsere Sprints ausmacht. Mit Sozia und Gepäck in ein nettes Hotel nach Hockenheim fahren, Sozia, Gepäck und Vernunft im Hotel abgeben, rüber auf den Ring, Spiegel ab und raus die Sau, dass es den anderen graust. Mir persönlich ist das ja zu aufwendig, ich flitze mal schnell von Oppenau zum Ruhestein hoch und gut is!
Fazit: Ich bin zunächst beeindruckt von der Qualität und begeistert von Form, Lösungen und den gefühlten 220 Kilogramm der Honda VFR 1200 F. Weiteres wird sich bei der Probefahrt erweisen.
Zur Motorrad-Power-Messe Sindelfingen gibt es weiter nicht viel zu berichten. Man schlendert durch, sitzt eben mal auf einer S 1000 RR rum und findet die Lackierung scharf. Sollte man auch mal Probe fahren. Muss ein Hammer sein. Allerdings findet man da schon einige „lommelige“ Plastiken, die bei bestimmten Drehzahlen mit Sicherheit sirren wie ein Mückenschwarm. Im Detail fand ich mich höchst unzufrieden. Da ich aus Erfahrung weiß, dass unser örtlicher Händler – Walz in Herrenberg – bei Probefahrten ohne Vorvertrag sehr zickig ist, werde ich die RR mal zur Probefahrt in Stuttgart Vaihingen bei der Niederlassung erfragen.
Ja, ich weiß, einige von Euch halten es für unlauter, einem Händler eine Probefahrt abzuschwatzen, obwohl man schon vorher sicher ist, dass man das erprobte Motorrad niemals kaufen würde, weil es nicht ins persönliche Konzept passt.
Ich dagegen finde das o.k.! Denn die Händler sollen und müssen (werksbefohlen) „Probekilometer“ auf die Maschinen bringen. Ich weiß von Angestellten, die jeden Feierabend eine andere Maschine mit nach Hause nehmen müssen, damit dem Werk gegenüber Probekilometer dokumentiert werden können. Da helfe ich doch gern mal aus und habe zudem einen Eindruck der aktuellen Motorradlandschaft. Da schäme ich mich kein bisschen.
Ferner fanden sich auf der Motorrad-Power-Messe ein Kontingent an Boss Hoss. Ich beschloss sofort, mir eine dieser Wuchtbrummen zu bestellen, der Zeitraum zwischen Bestellung und Auslieferung beträgt, je nach Lackierung, 4 bis 12 Monate. Moment, Kommando zurück! Erst bestelle ich wohl meinen Learjet und dann, wenn der ausgeliefert ist, die Boss Hoss, mit der ich das Flugzeug ohne fremde Hilfe aus dem Hangar zerren kann.
Schön fanden wir die Info, dass man jede Boss Hoss jederzeit und unkompliziert zum Trike umbauen (lassen) kann. Falls man also im Alter – das war ein Hinweis des Verkäufers – etwas wackelig wird und sein Moped bisweilen hinschmeißt, hülfe das und man könne bis weit in die achtziger Lebensjahre sowas wie Motorrad fahren. Nun, da habe ich zum Glück ja noch etwas Zeit. Also wenn ich der Salesmanager von Boss Hoss wäre, würde ich dem Joopi Heesters ein Exemplar lebenslang kostenlos zur Verfügung stellen.
Im oberen Stockwerk fand sich eine kleine Veteranen Ausstellung vom „Zweirad Museum Pleidelsheim“. Dort trug sich just ein Drama zu. Manfred Wirth ist der Chef des Museum und hatte sich eine – oh Gott, ich habe mir das Modell nicht gemerkt und Gundi hat es nicht fotografiert. Es war eine alte BMW aus den 20/30er Jahren. Klein, schwarz, selten, teuer. 36.000 € habe er dafür bezahlt. Er habe sie direkt von BMW gekauft und wolle sie in sein Museum stellen. Und weil es sich anbot, weil die (neuen) Maschinen für die Messe für den BMW-Stand der Werksvertretung direkt aus Berlin geliefert wurden, schickte man dem Manfred Wirth sein neues Schmuckstück mit dem gleichen Laster praktischerweise aus Berlin gleich mit.
Stolz stelle er das hervorragend restaurierte Exponat im Obergeschoss der Messe aus und freute sich über das Interesse der Besucher. Bis 16:51 Uhr! Ein ca. 20-22jähriger Fachmann von Format, Gestik, Gehabe und mit bemerkenswerter 25jähriger Berufserfahrung kniete vor der BMW in unmittelbarer Hörweite von Manfred nieder, beäugte die Maschine wie ein Diamantenhändler und bemerkte kurz und trocken: „Die weißen Streifen sind ja nur aufgeklebt und klar übergelackt“! Und wendete sich ab.
Da erwachte das Tier in Manfred. Ich will das hier abkürzen – nur soviel. Manfred brauchte eine gute Dreiviertelstunde, um sich wieder abzuregen. Es war köstlich und mitleidend zugleich. Erst als der jugendliche Fachmann endlich einräumte, sich geirrt haben gekonnt zu wegen nicht gewollt sein sollte, kam Manfred von seinem Baum herunter und erläuterte uns freundlichst sein Museum, nicht ohne die kritische Anmerkung, dass wir, in der Region wohnend, ihn längst hätten besuchen sollen müssen. Wir haben es ihm zeitnah versprochen. (Für die Unwissenden unter Euch: Die Streifen auf den BMW-Motorrädern wurden und werden ausschließlich freihand von (meist) Damen im Werk Berlin bei Spandau mittels Schlepppinseln aufgetragen.)
Trotz des heftig schneereichen Wetters waren wir erstaunt, diese kleine Messe recht gut besucht zu sehen, andererseits war das Getümmel eher erträglich, familiär und keinesfalls mit den großen Messen vergleichbar. Man hat schon Platz zum fotografieren und draufsitzen und der Zündkerzen-Schwatz findet zumeist mittels gleichen Idioms statt.
Und es hat nicht überall diese fünfsechstelnackten Weiber, die uns den Eindruck vermitteln, wir würden uns für Techniken (der Ingenieurskunst) gar nicht interessieren und ein bestimmtes Motorrad nur deshalb kaufen wollen, weil die beiden T…urboladergehäuse der die Maschine beräkelnden Verkaufsanimateusen unseren konservierten frühkindlichen Phantasien entsprechen.
Ich persönlich fühle mich jedesmal beim Anblick solcher „Sex-Sells-Arguments“ politisch unkorrekt behandelt und diskriminiert. Ich muss das Motorrad sexy finden, nicht das Nummerngirl. Ich meine das nicht ironisch. Wirklich nicht. Ich steuerte meine Maschinen schon immer nicht mit dem Joystick, vielmehr mit dem Gehirn. Wenn diese Mädels wenigstens den Eindruck erweckten, Motorrad fahren zu können. Aus diesem Tal müssen wir Biker noch heraus.
dies soweit
alleweil sprinttreues Grüßle
Uwe